Verkehrsknotenpunkt im Osten Pommerns
Eine Erinnerung an Kreuz an der Ostbahn von Fritz Wiesmüller

Fuhr man mit der Ostbabn von Berlin nach Königsberg Pr., so kam man auf weiten Strecken durch die Restprovinz Grenzmark-Posen-Westpreußen. Ein leicht welliges, abwechslungsreiches Land breitete sich zu beiden Seiten der Bahnstrecke aus. Wiesen, Felder, Kiefern- und Mischwälder, Flußläufe und alte Flußarme zeigten sich in bunter Folge dem Reisenden. Zwischen Landsberg an der Warthe und Schneidemühl kam man durch einen großen Bahnhof, hinter dem der Durchreisende leicht eine größere Stadt vermutete. Aber dieser Bahnhof war ein großes Verkehrskreuz mit nicht allzu viel Hinterland. Verkehrskreuz - daher der Ortsname Kreuz a. d. Ostbahn.


Gruß aus Kreuz


Hier schnitten sich die Verkehrslinien der Ostbahn mit der Nord-Süd-Verbindung Stettin-Posen. Später kam die Bahnlinie Kreuz-Schwerin a. d. Warthe hinzu, so daß dieser Kreuzungspunkt noch mehr an Bedeutung gewann.
Kreuz ist Ende des 19. Jahrhunderts erst durch den Bau der Ostbahn entstanden.



Diese 3 Bilder wurden von G. Kietzmann Kreuz/Neubrandenburg zur Verfügung gestellt

Es gab natürlich schon vorher hier einige Dörfer, die zum Teil aus ehemals polnischen Siedlungen hervorgegangen sind, zum Teil durch die Besiedlung des Netzedistrikts durch Friedrich dem Großen entstanden sind. Buschlukatz war das Dorf, das der späteren Stadt Kreuz am nächsten lag.
Wer von den Kreuzern erinnert sich nicht gerne der Promenade am Kaisersee? Hier ging man durch das Gebiet des Dorfes Buschlukatz, rechter Hand lag das Dorf selbst.- Ach ja, der Kaisersee! Ziel der Jugend, sofern sie nur erst einigermaßen selbständig war und auch schon einmal ohne elterliche Beaufsichtigung im Wasser paddeln konnte. Wer weiß noch von der ersten Badeanstalt, die wie ein Pfahldorf im Wasser lag und in der das Baden einen besonderen Reiz durch diese Umstände hatte. Später allerdings wurde ein schönes Strandbad gebaut, soweit ich mich erinnere, nach dem Vorbild der Stadt Woldenberg. Noch später, nach 1933, wurde ein Sportplatz angelegt, der aber durch die Kriegsereignisse nicht mehr recht ausgenutzt werden konnte.
Wenn die Schützen zum Kaisersee marschierten war der ganze Ort auf den Beinen. Kinderbelustigung, Platzmusik aus dem Pavillon und Tanz in der Tanzdiele brachte jung und alt bis in die Nacht hinein in Bewegung.


Drogerie Wiesmüller, Wilhelmstraße 16 ( Foto: Wiesmüller )

Aber Kreuz hatte nicht nur den Kaisersee. Fuhr man in die andere Richtung, dann kam man durch Dragelukatz und stand bald an der Drage. Die Drage war ein sehr schnell fließender Fluß, auf dem man zum Beispiel mit dem Paddelboot kaum bergauf kam. Hier zogen im Frühjahr noch die Lachse und im Sommer und im Herbst herrschte reger Flößereibetrieb. In den Wäldern hinter Dragebruch, etwa sieben Kilometer von Kreuz, lagen dann die wunderschönen versteckten Waldseen: Kleiner und Großer Koschiensee, Kleiner und Großer Lubowsee. Wer einmal im Sommer dort entlanggestreift ist, wird nie die Schönheit dieser in Hügeln eingebetteten und mit dichten Wäldern umgebenen Seen vergessen können. Hier war der große Tummelplatz der Kreuzer Jugend, hier wurden Entdeckungsreisen unternommen, hier gingen noch Winnetou und OId Shatterhand auf den Kriegspfad. Aber selten war auch eine Landschaft so geeignet, die Phantasie anzuregen und so ganz eins zu sein mit der Natur. Am großen Lubowsee war aber nicht nur die Jugend zu finden, sondern auch viele Erholungssuchende aus der näheren und weiteren Umgebung. Im Kurhaus in dem hoch auf dem Berg am Ende des etwa fünf Kilometer langen Sees liegenden Dorfes Langstheerofen waren viele Großstädter, vor allem aus Berlin zu finden.


Lubow-See

Fuhr man von Kreuz aus drageaufwärts, dann kam man u. a. nach dem Dorf Hochzeit, wo es die Gastwirtschaft “Zum Himmelreich“ gab. Eine kleine Insel in der Drage gerade über der Wirtschaft machte für die Jugend dieses vielbesuchte Ausflugsziel der Kreuzer noch interessanter als der geheimnisvolle Name der Gastwirtschaft. Weiter drageaufwärts kam nach dem Ort Steinbusch, wo sich eine von den zwei Forstschulen des Deutschen Reiches befand. Hier dehnten sich große Wälder mit großem Wildreichtum und seltenem Getier aus.

Von Kreuz bis zur polnischen Grenze waren es nur etwa zwei bis drei Kilometer. Die Netze war hier zugleich die Grenze. Wo die Drage in die Netze mündet lag die “Süße Ecke“. Der Sage nach war vor langem ein mit Zucker beladender Kahn an dieser Stelle untergegangen, daher der Name.
Nicht weit von hier lag das große Haasesche Sägewerk, das einen eigenen Hafen für die Holzverladung besaß. Ging man von hier aus zurück zur Stadt, dann konnte es passieren, daß man recht unangenehme Düfte in die Nase bekam. Urheber dieses “Parfüms“ war die Stärke-Fabrik. Sie hatte einen eigenen Gleisanschluß und stellte ein beachtliches wirtschaftliches Unternehmen für die Gemeinde dar.


Wilhelmstraße, Blick Richtung Bahnhof

Kreuz entwickelte sich langsam aber stetig aufwärts und zählte im Kriege etwa 6300 Einwohner. Es gab eine evangelische und eine katholische Kirche. Schon in den 20er Jahren hatten die damaligen Gemeindeväter eine Mittelschule eingerichtet, die sich auch aus dem umliegenden Dörfern eines guten Zuspruches erfreute.
Wer von den ehemaligen Schülern erinnert sich nicht gerne des Stud. -Ass. Meyer, der heimatliche Studien betrieb und u. a. eine Heimatschrift über den Netzekreis verfaßt hatte? Oder des Konrektor Marten, oder des Physiklehrers Bünning?
In den 30er Jahren wurde eine neue Volksschule auf dem ehemaligen Sportplatz gebaut, die im Kriege als Lazarett Verwendung fand. Mehrere größere Bauunternehmungen, ein großes Schlachthaus und eine Abdeckerei vervollständigen das wirtschaftliche Bild einer regen Gemeinde.

Ja, es war ein kleines und junges Städtchen. Aber jeder der dort zu Hause war wird mit Wehmut all der verlorenen Schönheit gedenken.

Fritz Wiesmüller